Wer nicht glaubt, wird zur Ameise

(Tagblatt)

THRILLER

Der neue Thriller von Giuseppe Gracia idealisiert die konservativ-katholische Kirche

Er ist Bischofssprecher und Schriftsteller. Giuseppe Gracias neuer Roman ist ein Thriller und idealisiert die konservativ-katholische Kirche.

Gibt intime Einblicke in die Kirche: Giuseppe Gracia.

Eines muss man Giuseppe Gracia lassen. Langweilig wird es einem in seinem neuen Buch «Der letzte Feind» nie. Poetische Momente und eine sich anbahnende Liebesgeschichte wechseln sich in flottem Tempo mit Verfolgungsjagden à la James Bond und anderen filmreifen Szenen ab. Und wie schon in seinem letzten Buch («Das therapeutische Kalifat») gibt es am Schluss viele Tote.

Im Kern geht es darum: Hank, ein Journalist mit St. Galler Wurzeln, will seinen Jugendfreund Rossi, der als Priester in Rom unter mysteriösen Umständen ums Leben kam, rächen. Er gerät dann in eine grosse Auseinandersetzung zwischen einer religionsfeindlichen «humanistischen Organisation» und der Kirche. Und das ist alles eingebettet in das «Dritte Vatikanische Konzil», bei dem sich liberale und konservative Kräfte aufs Blut bekämpfen.

Debatte um Katholizismus ist intellektueller Genuss

Mindestens so wichtig wie die Handlung ist jedoch die philosophisch-religiöse Ebene des Romans. Die scharfen innerkirchlichen Debatten zwischen liberalen Katholiken und den konservativen Kräften um den fiktiven Papst Pius XIII. sind auf den Punkt geschrieben und selbst für Menschen, die sich nur sporadisch mit Glaubensfragen auseinandersetzen, ein intellektueller Genuss.

Dass Gracia als Sprecher des Bistums Chur die katholische Kirche von innen kennt, ist hier unverkennbar. So spannend die intimen Einsichten ins Innere des Vatikans sind, so irritierend ist zuweilen der ideologische rote Faden, der sich durch das Buch zieht. Die (konservative) katholische Kirche in ihrem Kampf gegen Abtreibung und Sterbehilfe wird als eine der letzten Bastionen idealisiert, die sich gegen die «totalitäre Selbstoptimierung» der modernen, digitalisierten Gesellschaft wehrt, der angeblich nichts mehr heilig ist, schon gar nicht das menschliche Leben. Wer nicht an den katholischen Gott, an die Traditionen der Kirche, an das ewige Leben glaubt, wird in der Logik des Romans zur «geistigen Ameise».

Ein Buch mit fragwürdiger Verschwörungstheorie

In der Tat läuft in der heutigen Welt ja nicht alles rund. Wir haben Suizide, Depressionen, Burnouts, Umweltzerstörung, die drohende Klimakatastrophe. Wir haben Computer, Handys, Elektroautos, aber auch den Effizienzgedanken, der mittlerweile so viele Lebensbereiche durchströmt. Man muss kein Katholik und schon gar kein konservativer sein, um sich die gleiche berechtigte Grundfrage zu stellen, um die sich Gracias Buch dreht: Wo bleibt das Menschliche, das Wohl der Seele bei all diesen Entwicklungen? Produziert unsere Gesellschaft – wie von Gracia suggeriert – nur «Wohlstands-Atheisten», die Gott nicht nötig zu haben glauben und in der Religion nur einen fortschrittsfeindlichen Mythos, einen Störfaktor bei der Selbstverwirklichung sehen?

Kritische Fragen sind hier erlaubt, auch gegenüber dem Plot des Romans, der auch seine kruden Seiten hat: Eine global tätige, «humanitäre Organisation» (man denkt beim Lesen unweigerlich an Stiftungen wie die Bill-Gates-Foundation) verbündet sich mit islamistischen Terroristen, um den konservativen Bewahrern im Vatikan mit einem mörderischen Anschlag einen Denkzettel zu verpassen. Eine religiös-konservative Verschwörungsfantasie, die letztlich allen Bewegungen, die sich nicht an ihren Grundsätzen orientieren, Menschlichkeit abspricht – und damit eine reichlich fragwürdige These.


Giuseppe Gracia Der letzte Feind, 255 S., Fontis Verlag.

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