Lesbar rot

Von Giuseppe Gracia Mit den Jahren immer wieder für eine viertel, eine halbe, eine ganze Stunde war es ihm geschehen, Mario Stoffel, Sohn der Mailänderin Tiziana Di Letto und des bekannten Schweizer Industriellen Johannes Stoffel, dass er mitten in der Nacht zum Fenster unter dem Treppenhausturmdach gegangen war, um die Stille in der Einfahrt zu…

Toblers Wanderstab

Von Giuseppe Gracia Der Mediziner und angehende Doktor der Theologie honoris causa Titus Tobler, 1806 im Appenzellischen Stein geboren, setzte knapp siebzig Jahre nach seiner Geburt, nach zahlreichen Wanderungen und Forscherreisen, – über inländische wie ausländische Höhenzüge und Täler -, nach Meerfahrten ins Heilige Land zum Heiligen Grab, an dessen Echtheit er zweifelte, ohne vom…

Im Bach im Wald

Von Giuseppe Gracia An diesem Morgen vor der Dämmerung neben dem Bach im Wald, im Hals ein Kratzen, weiter unten ein Stechen, dachte er nicht daran, warum er das Auto hatte stehen lassen am Stadtrand und er nicht wie sonst direkt ins Dorf nach Hause gefahren, sondern hierher gekommen war, warum er die letzten Tage…

Jeder Satz ein Treffer

Jeder Satz ein Treffer

(Tagblatt) Thomas Bernhard: Er war einer der Zornigsten der österreichischen Literatur. Seine Stücke und Romane sind Weltanklage – aber sie sind auch voller Musikalität, schreibt der St.Galler Schriftsteller Giuseppe Gracia. Der negative, hoffnungslose und böse Schriftsteller – darauf wurde Thomas Bernhard oft reduziert. Auf Schimpftitel und Schubladen, die Bernhards Schaffenskraft keineswegs minderten, ihn vielmehr in…

Der Begriff „Angst“

(TAZ) Eine düstere Geschichte voller Rätsel: Giuseppe Gracias Roman „Santinis Frau“ Von Andreas Resch Der Keller des Gadamerhauses, in dem sich die Freunde Santini, Sofia und der namenlose Erzähler mehrmals in der Woche treffen, ist ein guter Ort zum Geschichtenerzählen, Rauchen und Trinken. Doch hinter dem vermeintlichen Idyll verbirgt sich ein namenloser Schrecken: „Immer schon…

Giuseppe Gracia: Santinis Frau

(RP online) Buch-Kritik Sofia, Santini und der Ich-Erzähler sind Secondos, Ausländerkinder der zweiten Generation, in der Schweiz geboren und aufgewachsen. Ihre Eltern kommen aus Spanien und Italien, arbeiten hier als Zementmischer und Bauarbeiter. Sie sprechen kaum Deutsch, können nicht lesen und nicht schreiben. Ihr erklärtes Ziel ist es, dass es ihre Kinder besser haben –…

Das grosse Versäumnis

(NZZ) Von Beatrice Eichmann-Leutenegger Lautlos verschwinden die Menschen: das Mädchen Sofia Cortéz mit ihren Eltern während der Sommerferien in Spanien, der Bankfachmann Santini Jahrzehnte später kurz vor dem Geburtstag seiner Frau. Ganze Wortfelder defizitärer Erfahrungen bauen sich in Gracias neuem Roman auf, denn immer wieder ist die Rede vom Versagen, Verlieren, Verspäten und ganz besonders…

Besteckmassaker

(TAZ) Von Robert Hodonyi Giuseppe Gracia schreibt in seinem Roman „Kippzustand“ von einer Spurensuche in der eidgenössischen Provinz Am Anfang von Giuseppe Gracias Roman „Kippzustand“ steht der wohl unappetitlichste Amoklauf der Schweizer Literatur. Bewaffnet mit einer Gabel betritt ein nicht mehr ganz junger Mann ein Restaurant in der Provinzstadt Furtnau und veranstaltet ein Besteckmassaker und…

Ökonomie der Unsicherheit

(Der Standard) LITERATUR Neues von Giuseppe Gracia Giuseppe Gracias Erzählung Kippzustand beginnt mit dem eher peripheren Ärgernis des sauren Weins der (fiktiven) schweizerischen Kleinstadt Furtnau, den sich der Erzähler zu trinken gezwungen sieht. An sich nichts Neues, schließlich meinte schon Dürrenmatt, Schweizer Wein gehöre in grüne, mit Totenschädel und gekreuzten Knochen versehene Giftflaschen abgefüllt. Doch…